von Hana Fiedlerová
Sie kennen das sicher selbst – man muss ab und zu abschalten und sich einen Urlaub gönnen. Ihre Arbeit kann immer warten, obwohl Ihr Chef mit einer Kündigung drohen wird. Dieses Risiko hat auch Herr B. in Kauf genommen. Der Herbst bietet so viel – angenehme Temperaturen, bunte Farben und im Vergleich zum Sommer muss man nicht mehr auf die Figur achten. Dessen war sich Herr B. bewusst und zum Ende September hat er seine Heimat verlassen, um andere Länder kennenzulernen. Zum Entdecken hat er die tschechische Landschaft ausgewählt. Das Programm ist folgendes: jeden Tag bis zu 20 Kilometer zu überwinden (alle seine Ausflüge werden auch dokumentiert) und nach dem Wandern eine wohlverdiente Belohnung zu bekommen – all-inclusive.
Die Verpflegung wird in Form von ausgeglichenen und abwechslungsreichen Mahlzeiten gewährleistet, sie besteht aus Obst, Gemüse, Honig und manchmal auch aus rohem Lammfleisch. OK, vielleicht handelt es sich nicht um einen Herrn, sondern um einen Bären, der in den letzten Wochen ein riesiges Aufsehen quer durchs Land erregte.
In Kalifornien lodern heftige Feuer und die Zahl der Opfer und Vermissten steigt. Italien holt nach Überschwemmungen, einem den ganzen italienischen Stiefel plagenden Desaster, wieder Luft. Auch die Tschechische Republik muss gegen das Mütterchen Natur kämpfen, in den letzten Wochen sind wir nämlich auffällig oft von einem Wildtier bedroht. Im Oktober wurden die Titelseiten von Zeitungen und Zeitschriften von einer hochgiftigen grünen Mamba gefüllt. Schlange gefangen - Schlangen-Gefahr gebannt. Unglück kommt aber nie allein. Nur ein paar Wochen später erscheint eine beunruhigende Nachricht – ein Bär wurde in der Zliner Region gesichtet. Die Zoologen ziehen wieder ihre Uniformen an und fast wie Angehörige eines Geheimdienstes setzen sie sich einer Gefahr aus, um uns zu retten. Wir sagen doch Nein zum Unbekannten, Nein zu anderen Kulturen und Nein zu Flüchtlingsquoten. Und eigentlich wirkt der Bär höchst verdächtig – braun, Tschechisch spricht er auch nicht und stiehlt nur unseren schwer erworbenen Besitz. Aber wie kann man einen Bären loswerden? Die Mamba war im Vergleich zu ihm ein niedliches Haustier.
Wenn man kurz recherchiert, findet man heraus, dass es auf dem Gebiet der Tschechischen Republik lediglich einen, maximal zwei Bären gibt. Das ist ja nicht gerade viel. Eigentlich ist die Begegnung mit einem Bären ungefähr so wahrscheinlich wie mit dem Ungeheuer von Loch Ness oder einem UFO. Trotz dieser Tatsache verfügt unser Land über Experten in ihrem Fach. Fangen wir mit der am wenigsten kompetenten Person an – Senator Jiří Čunek, der befohlen hat, den Bären sofort abzuschießen. Zum Glück ist eine Petition entstanden, die ums Leben des haarigen Armen gebeten hat. Was jetzt also? Bürokratische Verfahren hemmen einen schnellen Fang mithilfe eines Fangkäfigs. Dann bietet sich die Anwendung eines Betäubungspfeiles an, die aber mit einem Risiko verbunden ist, dass sich entweder der Geschossene oder der Schießende verletzt. Und was, wenn man den Bären theoretisch fängt? Genau, der Albtraum geht weiter. In der Tschechischen Republik kann man zwar mehr als 20 Zoos (abgesehen von den privaten Tiergärten) besuchen, den medial bekannten Bären möchte jedoch keiner. Unseres zotteligen Flüchtlings wird sich also hoffentlich das solidarischere Belgien annehmen.
Man kann nur hoffen, dass der Bär bald schlafen geht und sich im Frühling für ein anderes Urlaubsziel entscheidet. Unser Ministerpräsident empfiehlt dazu wärmstens die Halbinsel Krim.
Hana Fiedlerová, November 2018