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Sex, Drugs and Rock 'n' Roll

von Hana Fiedlerová
Es dämmert und ich komme nach Hause. Es ist eigentlich kein Zuhause, mehr oder weniger geht es nur um ein kahles Zimmer ohne Seele, wohl aber mit überall auf dem Boden herumliegenden Klamotten. Eine schnelle Dusche und unter die Decke schlüpfen. Ich sollte mich wieder an der Uni zeigen – aber nur keine Übertreibung. Am Abend wurde ich nämlich zu einer weiteren coolen Party eingeladen. Herzlich willkommen beim ERASMUS-Programm. Seine Benennung erinnert an Erasmus von Rotterdam – einen bekannten niederländischeren Humanisten. Außerdem dient der Begriff ERASMUS als Abkürzung für „European Community Action Scheme for the Mobility of University Students“. Wäre aber „Ein Relativ Abenteuerlicher Spaß Mit Ununterbrochenem Saufen“ nicht genauer? Brauchen Studenten wirklich bis zu einem Jahr lange Ferien? Und schließlich, inwiefern handelt es sich dabei um einen Mythos?
Im April 2018 erschien ein Artikel, den ein Student kaum übersehen konnte. Im Rahmen des ERASMUS-Programms reisen nur sogenannte Uni-Nichtstuer aus, die das leicht erworbene Geld in Kneipen und Bars verschwenden und mit einer naiven Ansicht über die Europäische Union zurückkehren. Man darf nicht vergessen, dass sein Autor Lubomír Volný ein Mitglied der Partei SPD – Svoboda a přímá demokracie (SPD – Freiheit und direkte Demokratie) ist, die sich radikal für den EU-Austritt einsetzt. Ich setze mich hauptsächlich dafür ein, nicht zu verallgemeinern!
12 Monate in den 3 letzten Jahren. 356 Abende, die ich im Ausland verbracht habe aber lediglich ungefähr 10 Partys, an denen ich teilgenommen habe. Der Grund dafür ist sehr einfach – ich bin kein Partymensch.  Es gibt aber andere interessante Zahlen, die meinen Aufenthalt vielleicht besser darstellen. 30 Kreditpunkte nach einem Semester in Deutschland, die ich nach absolvierten Prüfungen erworben habe. 3 Fremdsprachen, die ich dank dieser Erfahrung erlernen konnte. 2 Länder, deren Kultur ich kennenlernen konnte und 2 einzigartige Zeilen in meinem Lebenslauf. Und dann eine Unzahl von verschiedenen Erlebnissen und Freunden, die meine Vorstellung von Interkulturalität entwickelt haben.
Volný behauptet auch, dass die ERASMUS-Studenten mit einem übertriebenen Stipendium in Wohlstand leben würden, während ihre Kommilitonen in Tschechien unter Armut leiden müssten. Um ehrlich zu sein, habe ich damals fast völlig auf Fleisch verzichtet, nicht aus moralischen Gründen. Ich bin mir nur über die Prioritäten klar geworden. Entweder kann man einen Hamburger zu Abend essen, oder man macht am Wochenende einen Ausflug. Und Alkohol? Ist das Ihr Ernst, Herr Volný? 3.50 Euro für einen halben Liter Bier. Danke, vielleicht nächstes Mal.
Es ist aber auch klar, dass es unter mehr als 120 000 tschechischen Studenten, die das ERASMUS-Programm bisher absolvierten, auch die sogenannten Uni-Nichtstuer gibt. Die sind faul zu Hause und das ändert sich nicht, wenn sie ihre Heimat verlassen. Man fährt ins Ausland mit einem gewissen Plan. Mit seiner eigenen Bedeutung der Abkürzung ERASMUS. Für mich war das wahrscheinlich „Endlich Richtige Anwendung der Sprache Mit Uni-Studium“.

Hana Fiedlerová, Dezember 2018