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Literatur als aktueller gesellschaftlicher Spiegel – ist diese Art von Kommunikation wichtig?

von Šárka Moravcová

Fast jeder verfolgt täglich die Nachrichten im Fernsehen. Die meisten lesen weitere aktuelle Informationen in einer Tageszeitung oder im Internet während des Tages in ihrer Arbeit. Wir leben in einer Zeit, in der es an Informationen nicht mangelt. Es steht uns vor allem im Internet eine unerschöpfliche Breite von Möglichkeiten zur Verfügung, die als Informationsquellen dienen können. Es sind z.B. Online-Zeitungen, Blogs, Informationsserver, Online-Fernsehkanäle, usw. Was ist unser Ziel beim Lesen? Worüber wollen wir uns informieren?

Was hilft es uns, all die Infos über Stars und Unfälle und politische Entscheidungen u. ä. zu bekommen? Wollen wir so die Welt im Griff haben? Wollen wir sie auch verstehen? Welchen Sinn hat es, noch Bücher zu lesen? Was bietet ein literarisches Werk dem, der sich ein Bild über die Gesellschaft machen will? Lässt sich in der Literatur etwas finden, was eine andere Quelle nicht hat?

Wir alle haben das Bedürfnis, unsere Realität zu verstehen. Nicht alle sind wir reif genug, um alle Eindrücke der äußeren Welt richtig wahrzunehmen und zu verstehen. Und gerade hier sehe ich eine wichtige Rolle der Literatur. Wenn wir uns ein wahrhaftiges Bild über die Gesellschaft machen wollen, reicht es uns nicht, nur Informationen zu sammeln. Wir können uns hier und da inspirieren lassen, einen Überblick behalten. Die Literatur führt uns aber tiefer. Sie zeigt uns, wo momentan eine Spannung in der Gesellschaft entsteht. In mannigfaltigen Geschichten spielen sich in literarischen Werken lebhafte Konflikte ab.

Wo sich die Energie häuft, da ist auch das größte Potenzial zur Entwicklung. Um dies zu erkennen, müssen wir in die tieferen Schichten eines Geschehens gehen, hinter die Einzelheiten. Hierbei ist die Aufgabe des Autors sehr wichtig, weil ein Künstler allgemein als überempfindliche Person gilt, die über die Fähigkeit verfügt, die Sachen in ihrem breiterem Kontext zu sehen und zu spüren. Beim Lesen erleben wir eine Handlung mit und je besser der Autor schreiben kann, desto intensiver sind unsere Gefühle dabei. Gleichzeitig befinden wir uns auf Abstand, was uns die eigene Reflexion ermöglicht. Bei der Reflexion können neue Gefühle oder Blickwinkel auftauchen, die wir vorher nicht gesehen haben. So kann sich unser Weltbild verändern. Hier ist nicht mehr von bloßem Informieren die Rede. Nun sprechen wir von einem Dialog. 

Eigentlich wissen wir alle gut, dass es zwischen Quantität und Qualität einen Unterschied gibt. In der postmodernen Gesellschaft steht uns ein reiches Angebot für eine freie Wahl zur Verfügung. Es geht ganz von alleine, den ganzen Tag verschiedene kurze Texte und Nachrichten zu lesen. Das Lesen wird angenehm bunt, wir erfahren Vieles. Wir haben uns amüsiert. 

Unsere Aufgabe ist es, uns für ein Buch genug Zeit zu nehmen, damit wir die Aussage des Autors mitfühlen können und sie in unsere innere Weltvorstellung auf eigene Art und Weise integrieren können. Dazu lädt uns die Literatur ein, das kann uns ein schnelles Lesen nicht bieten.