Die Waage. Novelle von Clemens Setz. Ein Lektürebericht von Tereza Bohatá

Clemens Johann Setz, ein österreichischer Schriftsteller, der mit mehreren wichtigen literarischen Preisen ausgezeichnet wurde, hat mich mit der Erzählung Die Waage aus dem Jahr 2008 überrascht. Wer kann erwarten, dass jemandem, der als Schüler kein besonderes Interesse an Büchern hatte, einer der interessantesten Schriftsteller Österreichs wird?
Ich muss sagen, als ich die Erzählung zu lesen begonnen habe, habe ich mich schnell in die Geschichte vertieft. Es handelt sich um einen Mann, der mit seiner Frau in einer Wohnung lebt. Die Wohnung befindet sich vielleicht in einem Plattenbau mit anderen Haushalten, die ein gemeinsamer Garten verbindet. Der Mann wirkt auf mich ziemlich fahrig, denn er springt ganz oft in seinen Gedanken und er vergisst manchmal, was er tut. Das ist auch wahrscheinlich der Grund, warum ich weiterlesen wollte, denn ich wollte auf die Pointe der Ereignisse kommen.

Die Erzählung hat insgesamt 11 Geschichten. Es handelt sich in jeder Geschichte um einen Ausschnitt aus dem Leben des Mannes. Die Waage befindet sich im Garten, wo der Mann sie gefunden hat. Fast jeder im Haus hat sich schon gewogen, nur der Mann hat davor aus einem für mich unerklärlichen Grund Angst. Warum? Was macht ihn so nervös? Seine Angst zeigen uns mehrere Szenen: „Aber das ist doch nicht riesig, sagte seine Frau. Vielleicht schau ich mir das Ding später an. – Nein! Geh nicht hinunter, rief Daniel“. Warum sagte er so erschrocken seiner Frau, dass sie nicht in den Garten gehen soll, um die Waage anzuschauen? „Daniel! Seine Frau schaute vom Fenster herunter, ihr Gesicht war unschuldige Verwunderung und Überraschung, ein unbeschwertes Sonntagsgesicht. Er konnte es nicht mehr ertragen, also sagte er: – Mach das Fenster zu! – Warum? Was ist denn? Sie war wieder außer Atem, bemerkte er. Und aus irgendeinem Grund ertrug er diesen Anblick nicht mehr und rief: – Mach zu! Mach zu!“

Ich finde die Beziehung zwischen dem Mann und seiner Frau interessant. Wie ehrlich ist sie? Es klingt manchmal, als ob der Mann etwas vor seiner Frau verstecken würde. Dieses Gefühl unterstützen Situationen wie zum Beispiel diese: „Er hätte sie danach fragen können, aber er tat es nicht. Er erklärte ihr, was er eben im Hof gesehen hatte. Sie verstand zuerst nicht, was er von ihr wollte, dann fragte sie ihn, wieso er sie deswegen anrufe. – Ach, nur so, sagte Daniel.“ Die ganze Situation verschärft sich, als der Mann vor Wut einen Stein ins Fenster seiner Frau wirft. Was hat ihn so erregt?

Die Erzählung Die Waage hat mich wirklich begeistert, denn sie hat mir erlaubt, in den Kopf des Mannes zu schauen und alles aus seiner Perspektive zu sehen. Ich hatte das Bedürfnis immer weiterzulesen. Bis jetzt bin ich nicht sicher, welche Rolle die Waage in dem Leben des Mannes spielt. Das bleibt mir rätselhaft.