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Inkognito unterwegs oder keinen Bock aufs Aufräumen? Von Eva Lískovcová

 Ausgeschaltete Kameras während dem Online-Unterricht tragen zu meiner Frustration bei. 

Stellen Sie sich folgende Situation vor: Sie sind in einer Höhle eingesperrt, überall ist es dunkel. Hierher reicht der Sonnenschein nicht. Sie können nichts sehen! Sie hören aber die Stimmen anderer Menschen. Ja, sie sitzen ganz nah bei Ihnen. Sie sind aber mit einer festen dicken Steinwand von Ihnen getrennt. 

Sie verkürzen sich die Langeweile und muntern den monotonen Tagesverlauf in der Gefangenschaft mit einem Gespräch auf. Ach, wie gerne würde ich Dein Gesicht sehen, um es mit Deiner Stimme voller Weisheit in Verbindung bringen zu können, sagen Sie voller Hoffung an die kalte Steinwand gelehnt. Tja, geht nicht, meine Kamera ist aus.

Alle kennen das! Der_die Einzige_r mit der angeschalteten Kamera ist die Lehrkraft, im besten Falle noch ein paar Streber_innen. Das Kamerabild sitzt da alleine auf meinem Bildschirm und kann sich nur am Kopf kratzen, ob die ausgesprochenen Worte von eine_n Rezipient_in empfangen wurden. Ziemlich frustrierend. Zum Glück bin ich (noch) keine Lehrerin.

Mir geht es da um die eigene Perspektive! Wenn ich mir schon die Zeit nehme, im Unterricht zu sitzen, möchte ich auch etwas davon haben und damit meine ich einen Austausch. Ich will andere Meinungen hören als diejenige, die ich habe oder die von der Frau, die mir am Morgen das Gebäck über die verglaste Theke reicht. Wo bleibt der Spaß?

Ich möchte an dieser Stelle keine grundlegende Analyse vorlegen, wo die so wohl bekannte Passivität der tschechischen Gesellschaft ihre Wurzeln hat oder wieviele Jahre und durch welche Zustände sie geprägt wurde. Eines ist mir klar. Was wir nicht brauchen, brauchen wir nicht. Wir werden es los, wir tauschen es gegen etwas um. Die leere Stelle wird mit dem Ersehnten erfüllt.

Jemand muss es schließlich tun. Wer sonst, wenn nicht diejenigen, die die Zukunft der Gesellschaft in den Händen halten, indem sie sich um die Bildung der Kinder kümmern? Oder noch besser, für die Bildung der Kinder zuständig sind. Es liegt nur an uns, ob wir uns entscheiden, aus diesem Kreis auszubrechen oder ihn weiter reproduzieren.

Die alten Steine in der Hülle lösen sich auf und die frischen Gedanken fließen wie ein Luftstrom. Der Staub wird aufgewirbelt. Die Brise bringt verschiedenes hin und weg: bunte Samen, aus denen Keime werden, ein zartes Blütenblatt, einmal eine Larve, von der erst später entschieden wird, ob sie zu einem Schmetterling oder einer Motte wird. Manchmal kommt einem sogar der Sand in die Augen. Oder es zeigt sich, dass die losgesendete Rose doch schon verwelkt ist und man würde sie am liebsten nie aus den Händen lassen. Aus dem dunklen, miefigen Ort ist ein Garten voller Blüten geworden, wo wir selber entscheiden, was wo wachsen wird. All das nehmen wir in Kauf, wenn wir aus der Hülle ausbrechen, indem wir zueinander kommen. Ob virtuell oder persönlich.